Region Hannover
Außer Kraft 25.11.2020 Zweite Allgemeinverfügung der Region Hannover
über die Untersagung des Beginns von Baumaßnahmen sowie der Stilllegung von bereits begonnenen Baumaßnahmen bei möglichen Kampfmittelfunden und Kampfmittelverdachtspunkten zum Schutz der Bevölkerung vor der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 auf dem Gebiet der Region Hannover
30.53.80-486/2020
Die Region Hannover erlässt für das gesamte Gebiet der Region Hannover gemäß § 28 Absatz 1 Satz 1 des Infektionsschutzgesetzes (IfSG), § 18 Satz 1 Niedersächsische Verordnung über Maßnahmen zur Eindämmung des Corona-Virus SARS-CoV-2 vom 30.10.2020 (Corona-VO) in Verbindung mit § 2 Absatz 1 Nr. 2, § 3 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 NGöGD folgende
Allgemeinverfügung:
- Tief- und Erdbaumaßnahmen, bei denen die Möglichkeit eines Kampfmittelfundes besteht, dürfen in der Region Hannover einschließlich des Gebietes der Landeshauptstadt Hannover nur begonnen oder fortgeführt werden, wenn der Baugrund von einer Fachfirma auf Kampfmittel sondiert wurde und dabei weder Kampfmittel in Größe einer Panzergranate und aufwärts noch Anomalien für Kampfmittel in Größe einer Panzergranate und aufwärts aufgefunden wurden. Baumaßnahmen in Flächen, die vom Kampfmittelbeseitigungsdienst (KBD) als Verdachtsflächen gekennzeichnet sind und bei denen eine Kampfmittelüberwachung während der laufenden Bautätigkeit erfolgen soll, dürfen nicht durchgeführt werden. Baumaßnahmen in Flächen, die vom KBD nicht als Verdachtsflächen gekennzeichnet sind, für die aber auch keine Kampfmittelfreiheit vom KBD bescheinigt wird und für die keine Sondierung vorliegt, müssen durch eine Kampfmittelüberwachung mit größtmöglicher Sorgfalt begleitet werden. Bei Feststellung von Kampfmitteln in Größe einer Panzergranate und aufwärts auf einem Baugrundstück sind alle Tiefbauarbeiten unverzüglich einzustellen.
- Ausnahmen gelten für
a) Bauarbeiten im Rahmen der Gefahrenabwehr bzw. Störungsbeseitigung zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Versorgung oder Entsorgung,
b) Arbeiten im Straßen- und Leitungsbau, soweit diese ausschließlich in einem Straßenaufbau erfolgen, der nach dem 2. Weltkrieg hergestellt wurde. Laufende Baumaßnahmen in Flächen, die auch tiefer in den Boden eingreifen, als dies bei der Herstellung nach dem 2.Weltkrieg erfolgt ist und die vom KBD nicht als Verdachtsflächen gekennzeichnet sind, für die aber auch keine Kampfmittelfreiheit vom KBD bescheinigt wird und für die keine Sondierung vorliegt, müssen durch eine Kampfmittelüberwachung mit größtmöglicher Sorgfalt begleitet werden. Bei Feststellung von Kampfmitteln in Größe einer Panzergranate und aufwärts sind alle Tiefbauarbeiten unverzüglich einzustellen. Gleiches gilt für Arbeiten an Leitungen, soweit diese ausschließlich in einem Bereich erfolgen, in dem nach dem 2. Weltkrieg schon Leitungsarbeiten stattgefunden haben,
c) die Durchführung von Sondierungsmaßnahmen, wenn von den mit der Sondierung beauftragten Unternehmen gewährleistet ist, dass ein Kampfmittel nicht bewegt wird und mit Erde überdeckt bleibt. - Ausnahmen von Ziffer 1 dieser Allgemeinverfügung, die über die in Ziffer 2 genannten hinausgehen, können durch schriftliche Genehmigung der Region Hannover zugelassen werden. Die regionsangehörige Kommune, auf deren Gebiet die geplante Baumaßnahme erfolgen soll, wird vorher angehört.
- Die Anordnungen zu Ziffer 1 und 2 sind kraft Gesetzes gemäß § 28 Absatz 3 in Verbindung mit § 16 Absatz 8 IfSG sofort vollziehbar. Eine Klage hat somit keine aufschiebende Wirkung.
- Diese Allgemeinverfügung gilt nach dem Tage der Bekanntmachung bis einschließlich 31. Januar 2021.
Das Gebiet der Region Hannover besteht aus folgenden Städten und Gemeinden:
Stadt Barsinghausen, Stadt Burgdorf, Stadt Burgwedel, Stadt Garbsen, Stadt Gehrden, Landeshauptstadt Hannover, Stadt Hemmingen, Gemeinde Isernhagen, Stadt Laatzen, Stadt Langenhagen, Stadt Lehrte, Stadt Neustadt am Rübenberge, Stadt Pattensen, Stadt Ronnenberg, Stadt Seelze, Stadt Sehnde, Stadt Springe, Gemeinde Uetze, Gemeinde Wedemark, Gemeinde Wennigsen, Stadt Wunstorf.
Begründung:
Die Region Hannover ist nach § 2 Absatz 1 Nr. 2, § 3 Absatz 1 Satz 1 Nr. 1 NGÖD in Verbindung mit § 3 Absatz 3 NKomVG zuständige Behörde im Sinne des Gesetzes zur Verhütung und Bekämpfung von Infektionskrankheiten beim Menschen (Infektionsschutzgesetz – IfSG) vom 20. Juli 2000 (BGBl. I S. 1045) in der derzeit geltenden Fassung und somit auch für die Regelung von Schutzmaßnahmen zur Verhinderung der Verbreitung übertragbarer Krankheiten nach § 28 IfSG zuständig.
Zu Ziffer 1:
Rechtsgrundlage für die Maßnahme ist § 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG in Verbindung mit § 18 Corona-VO. Nach § 28 Absatz 1 Satz 1 IfSG hat die zuständige Behörde die notwendigen Schutzmaßnahmen zu treffen, wenn Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider festgestellt werden oder sich ergibt, dass ein Verstorbener krank, krankheitsverdächtig oder Ausscheider war, soweit und solange es zur Verhinderung oder Verbreitung übertragbarer Krankheiten erforderlich ist. § 18 Corona-VO ermöglicht es den örtlich zuständigen Behörden, über die Corona-VO hinausgehende Maßnahmen zu treffen, soweit es im Interesse des Gesundheitsschutzes erforderlich ist.
Derzeit werden wegen der Verbreitung des neuartigen Coronavirus SARS-CoV-2 sowie der dadurch ausgelösten COVID 19-Erkrankung deutschlandweit und in der Region Hannover zahlreiche Kranke, Krankheitsverdächtige, Ansteckungsverdächtige oder Ausscheider im Sinne von § 2 Nrn. 3 ff. IfSG festgestellt. COVID-19 ist eine übertragbare Krankheit im Sinne von § 2 Nr. 3 IfSG. Die Erkrankung manifestiert sich zunächst als Infektion der Atemwege und ist sehr infektiös. Die Übertragung erfolgt im Wege der Tröpfcheninfektion. Möglich ist außerdem eine Übertragung durch Aerosole sowie kontaminierte Oberflächen. Bei Zusammenkünften an Orten, an denen sich Personen entweder auf engem Raum begegnen können oder nicht nur vorübergehend aufhalten, werden in besonderem Maße derartige Infektionswege für das Coronavirus SARS-CoV-2 eröffnet.
Vor dem Hintergrund der dynamischen Verbreitung von Infektionen mit dem SARS-CoV-2-Virus und Erkrankungen an COVID-19 müssen weitere umfänglich wirksame Maßnahmen zur Verzögerung der Ausbreitungsdynamik und zur Unterbrechung von Infektionsketten ergriffen werden. Weitreichende effektive Maßnahmen sind dazu dringend notwendig, um im Interesse der Bevölkerung und des Gesundheitsschutzes die dauerhafte Aufrechterhaltung des Gesundheitssystems in Niedersachsen sicherzustellen.
Das gilt auch für notwendige Evakuierungsmaßnahmen aus Anlass von Kampfmittelbeseitigungen oder Überprüfungen von Kampfmittelverdachtspunkten auf Baugrundstücken.
Evakuierungsmaßnahmen erfolgen wegen möglicher Explosionsgefahren durch Kampfmittel zur Verhinderung von Schäden für Leib und Leben der anliegenden Bevölkerung.
Solche Evakuierungsmaßnahmen können jedoch wegen des Ansteckungsrisikos mit dem SARS-CoV-2-Virus in den Evakuierungsräumen bis auf weiteres nicht ohne erhebliche zusätzliche Gesundheitsgefährdungen für die zu Evakuierenden und die sonstige Bevölkerung durchgeführt werden.
Mit Evakuierungsmaßnahmen geht einher, dass sich eine Vielzahl von Menschen gemeinsam in geschlossene Evakuierungsräume und -hallen begeben müssen. Dadurch besteht die Gefahr, dass es aufgrund der Kontaktnähe zur Übertragung des Virus kommt und eine Ausbreitung der Infektion stattfindet. Dabei würden die zu Evakuierenden zwangsläufig die Ausbreitung des Virus begünstigen.
Um gleichwohl Gefährdungen der Bevölkerung durch Kampfmittel auszuschließen, ist nur ein Baustopp die geeignete Maßnahme, wenn der Baugrund nicht von einer Fachfirma auf Kampfmittel sondiert wurde und dabei keine Verdachtspunkte oder Kampfmittel aufgefunden wurden. Andere, weniger belastende Maßnahmen, sind nicht ersichtlich.
Die Maßnahme ist auch verhältnismäßig, da kein geeigneteres Mittel die Evakuierungsmaßnahmen verhindern kann und die Maßnahme befristet ist.
Die Baufreiheit des Bauherrn oder Grundstückseigentümers aus der Eigentumsgarantie des Art. 14 GG muss hinter dem Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Bevölkerung und der auf der Baustelle Beschäftigten aus Art. 2 Absatz 2 Satz 1 GG dabei zurücktreten.
Zu Ziffer 2 und 3:
Die Notwendigkeit eines Baustopps besteht nicht, wenn eine Kampfmittelbelastung des Baugrundes von vornherein ausgeschlossen werden kann wie bei Arbeiten im Straßen- und Leitungsbau, soweit diese ausschließlich in einem Straßenaufbau erfolgen, der nach dem 2. Weltkrieg hergestellt wurde. Gleiches gilt für Arbeiten an Leitungen, soweit diese ausschließlich im Bereich eines Straßenraumes erfolgen, in dem nach dem 2. Weltkrieg schon Leitungsarbeiten stattgefunden haben.
Außerdem müssen Bauarbeiten, die keinen Aufschub dulden, in engen Grenzen ermöglicht werden, weil sonst Gefahren von dem Grundstück ausgingen durch Schäden an öffentlichen Ver- oder Entsorgungsleitungen.
Auch Sondierungsmaßnahmen können fortgeführt werden, wenn das Kampfmittel nicht bewegt wird und mit Erde überdeckt bleibt. In diesem Fall ergibt sich im Zusammenhang mit der unter 1. getroffenen Maßnahme nicht die Notwendigkeit einer sofortigen Evakuierung und der damit einhergehenden Gefahr der Verbreitung des Corona-Virus.
Zu Ziffer 4:
Die sofortige Vollziehbarkeit ergibt sich bereits aus § 28 Absatz 3 in Verbindung mit § 16 Absatz 8 IfSG.
Zu Ziffer 5:
Die Region Hannover hat in Ziffer 5 den Zeitpunkt bestimmt, ab dem diese Allgemeinverfügung als bekanntgegeben gilt und damit wirksam wird (§ 1 NVwVfG i.V.m. § 41 Absatz 4 Satz 4 VwVfG).
Die Allgemeinverfügung war zunächst bis zum 31. Januar 2021 zu befristen, da objektiv nicht absehbar ist, wann das Infektionsgeschehen in Zukunft so rückläufig sein wird, dass die Anordnungen aufgrund der beständigen geringen Zahl von Neuinfizierten in der 7-Tage-Inzidenz nicht mehr verhältnismäßig sind.
Es findet eine fortlaufende Überprüfung der Zahl der Neuinfizierten im Verhältnis zur Bevölkerung in den letzten sieben Tagen sowie der weiteren entscheidungserheblichen Sachlagen, wie etwa das Verhalten der Bevölkerung im Regionsgebiet, statt. Dabei werden u.a. die vom zuständigen Ministerium für Gesundheit nach § 3 Abs. 2 Satz 2 Corona-VO bekannt gegebenen Werte zugrunde gelegt. Bei einem gesichert rückläufigen Infektionsgeschehen gemessen an dem durch den Verordnungsgeber jeweils mitgeteilten maßgeblichen Inzidenzwert wird überprüft, ob bereits vor Ablauf der Befristung die Allgemeinverfügung aufgehoben werden kann.
Bis zum 12. November 2020 erfolgte die ortsübliche Bekanntmachung von Allgemeinverfügungen über eine in der Hauptsatzung der Region Hannover geregelte vollständige Veröffentlichung des Textes in der Tagespresse. Die Region Hannover hat von ihrer Möglichkeit gemäß § 11 Absatz 3, Absatz 6 Satz 1 NKomVG Gebrauch gemacht. § 10 Absatz 5 der Hauptsatzung der Region Hannover wurde derart geändert, dass seit dem 13. November 2020 ortsübliche Bekanntmachungen über die Internetseite www.bekanntmachungen.region-hannover.de erfolgen (Gemeinsames Amtsblatt der Region Hannover und der Landeshauptstadt Hannover Nr. 44/2020 vom 12.11.2020, Seite 524).
Rechtsbehelfsbelehrung
Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Hannover, Leonhardtstraße 15, 30175 Hannover, erhoben werden.
Hannover, den 25.11.2020
Der Regionspräsident
Hauke Jagau