Region Hannover

08.12.2021 Tierseuchenbehördliche Allgemeinverfügung zur Anordnung eines Impfverbotes

gegen die Infektion mit dem Virus der  Bovinen Virusdiarrhoe (BVD-Virus) vom 7.12.2021

Nach §2 BVDV-Verordnung und nach Artikel 20 Absatz 1 und Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer vi i. V. m. Anhang IV Teil VI Kapitel 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 werden nachstehende Maßnahmen angeordnet:

  1. Die Impfung von Rindern, Bisons, Wisenten und Büffeln gegen Infektionen mit dem BVD-Virus mit Impfstoffen aller Art (Lebendimpfstoffe und Totimpfstoffe) ist verboten.
  2. Zur Bekämpfung von Ausbrüchen der BVD oder nach Feststellung von persistent mit BVD infizierten Tieren o.g. Arten oder aus anderen Gründen der Tierseuchenbekämpfung kann eine Impfung in den davon betroffenen Betrieben von der Region Hannover genehmigt werden.

Die sofortige Vollziehung dieser Maßnahme wird im öffentlichen Interesse angeordnet, soweit nicht bereits kraft Gesetzes die aufschiebende Wirkung aufgehoben ist.

Diese Allgemeinverfügung tritt am Tage nach der Veröffentlichung in Kraft und gilt so lange, bis sie wieder aufgehoben wird.

Begründung:

Die Bovine Virus Diarrhoe (BVD) ist eine Rinderkrankheit, die weltweit vorkommt und zu den bedeutendsten Virusinfektionen bei Rindern zählt. Die Übertragung des Virus erfolgt horizontal (von Tier zu Tier), über verschiedene Körpersekrete, oder vertikal als Infektion während der Trächtigkeit vom Muttertier auf das Kalb. Die Infektionen verlaufen oft symptomlos oder gehen mit Durchfällen, Atemwegserkrankungen und Leistungsabfall einher. Bei der Infektion serologisch negativer trächtiger Rinder kann es in Abhängigkeit vom Infektionszeitpunkt neben verschiedenen Komplikationen zur Entstehung von persistent mit dem BVD-Virus infizierten (PI-)Kälbern kommen. PI-Tiere können klinisch unauffällig erscheinen, spielen aber als dauerhafte Virusausscheider für die Aufrechterhaltung von Infekt-Ketten in Beständen oder Regionen eine zentrale Rolle. So können sie das Virus über Kontakte, z. B. während des Transportes, sehr leicht weiterverbreiten. 

Die BVD wird seit dem 01.01.2011 in Deutschland staatlich bekämpft. Seitdem ist ein kontinuierlicher Rückgang der Anzahl BVD-Virus-infizierter Bestände zu verzeichnen. Im Vordergrund der Bekämpfung steht die Identifikation von PI-Tieren und deren Entfernung aus den Beständen. In der Region Hannover ist zum letzten Mal am 26.08.2014 ein PI-Tier aufgetreten und der Ausbruch der BVD amtlich festgestellt worden. Langfristiges Ziel ist es, die Erkrankung vollständig zu tilgen. 

Niedersachsen hat aufgrund des bisherigen Fortschritts bei der Bekämpfung der BVD bei der EU die Genehmigung eines Tilgungsprogramms gemäß Artikel 31 Absatz 2 der Verordnung (EU) 2016/429 beantragt. Das Tilgungsprogramm zielt darauf ab, für Niedersachsen die Anerkennung als seuchenfreie Zone gemäß Artikel 36 zu erlangen. Ein solcher Status ermöglicht es dann, durch verpflichtende Zusatzgarantien beim Verbringen von Rindern die Rinderbestände in Niedersachsen vor Neuinfektionen mit dem BVD-Virus zu schützen.

Die rechtliche Grundlage der Anforderungen zur Gewährung und Aufrechterhaltung des Status „frei von BVD“ in Bezug auf Rinderhaltungsbetriebe ergibt sich aus Artikel 18 Absatz 1 Buchstabe b Ziffer vi i. V. m. Anhang IV Teil VI Kapitel 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689. Mit Geltungsbeginn der Verordnung (EU) 2016/429 am 21. April 2021 haben alle Rinderhaltungsbetrieben, die gemäß § 1 Nummer 2 der Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Virusdiarrhoe-Virus (BVDV-Verordnung) als „BVDV-unverdächtiger Rinderbestand“ eingestuft waren, der Status „frei von BVD“ erhalten. Dieser Status kann nur aufrechterhalten werden, wenn seit der Gewährung des Status im Bestand kein Rind gegen BVD geimpft wurde (Anhang IV Teil VI Kapitel 1 Abschnitt 2 Absatz 1 Buchstabe b der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689).
Gemäß § 2 Absatz 1 Nummer 2 der BVDV-Verordnung kann die zuständige Behörde die Impfung der Rinder eines bestimmten Gebietes gegen die Infektion mit dem BVD-Virus verbieten, wenn Belange der Tierseuchenbekämpfung nicht entgegenstehen. Außerdem ist die Impfung während eines Tilgungsprogramm nach Artikel 12 Absatz 1 Buchstabe c Ziffer i in V. m. Artikel 18 und Anhang IV Teil VI Kapitel 1 der Delegierten Verordnung (EU) 2020/689 in der gesamten Tilgungszone nicht zulässig.

Das Verbot der Impfung ist aus Gründen der Tierseuchenbekämpfung geeignet, erforderlich und angemessen. Das Verbot soll verhindern, dass bei serologischen Untersuchungen in Rinderhaltungsbetrieben gegen BVDV geimpfte Rinder nicht von an BVDV erkrankten Rindern zu unterscheiden sind. Dieses würde das Erkennen eines Seuchenausbruchs verzögern und einschränken und ein frühzeitiges Einsetzen von Seuchenbekämpfungsmaßnahmen erschweren. Das Verbot ist außerdem Voraussetzung für Anerkennung als seuchenfreie Zone, in der einer Ausbreitung der BVD durch Verbringungsbeschränkungen wirksam vorgebeugt werden kann. Bei der Abwägung, ob im vorliegenden Fall ein milderes Mittel ausreicht, sind die Eigenschaften des Erregers sowie die Interessen der betroffenen Tierhalter in die Entscheidungsfindung eingeflossen. 

Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung:

Nach § 80 Absatz 2 Nummer 4 der Verwaltungsgerichtsordnung kann die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse besonders angeordnet werden. Diese Voraussetzung liegt hier vor, da die Ausbreitung der BVD und somit die Gefahr von tiergesundheitlichen wie auch wirtschaftlichen Folgen sofort unterbunden werden muss. Es besteht ein öffentliches Interesse daran, dass eine BVD möglichst frühzeitig erkannt wird, um sofort notwendige Seuchenbekämpfungsmaßnahmen einleiten zu können.

Käme es hierbei zu einer zeitlichen Verzögerung durch Rechtsmittel mit aufschiebender Wirkung, würde die Verbreitung der BVD begünstigt oder könnte eine bereits stattgefundene Verschleppung erst verspätet erkannt werden. Dadurch würden den betroffenen empfänglichen Tieren erhebliche, letztlich vermeidbare Leiden und Schäden zugefügt werden sowie den Halterinnen und Haltern erhebliche wirtschaftliche Schäden entstehen.

Im Interesse einer effektiven Tierseuchenbekämpfung überwiegt das öffentliche Interesse daran, dass auch während eines Rechtsmittelverfahrens die erforderlichen Seuchenerkennungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Die Maßnahmen dienen dem Schutz sehr hoher Rechtsgüter. Die Gefahr der Weiterverbreitung der Seuche und der damit verbundene wirtschaftliche Schaden sind höher einzuschätzen als persönliche Interessen an der aufschiebenden Wirkung als Folge eines eingelegten Rechtsbehelfs.

Rechtsbehelfsbelehrung:

Gegen diese Allgemeinverfügung kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Klage beim Verwaltungsgericht Hannover, Leonhardtstr. 15, 30175 Hannover schriftlich oder in der Form eines elektronischen Dokuments nach Maßgabe der Niedersächsischen Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr in der Justiz vom 21. Oktober 2011 (Nds. GVBl. S. 367) oder zur Niederschrift in der Geschäftsstelle erhoben werden. Auf Antrag kann das Verwaltungsgericht Hannover die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise wiederherstellen bzw. anordnen.

Hannover, den 7.12.2021
Der Regionspräsident
Im Auftrage

Dr. Spieler


Rechtsgrundlagen:

  • Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 9. März 2016 zu Tierseuchen und zur Änderung und Aufhebung einiger Rechtsakte im Bereich der Tiergesundheit („Tiergesundheitsrechtsakt“) (ABl. EG Nr. L 84 vom 31.3.2016, S. 1)
  • Delegierte Verordnung (EU) 2020/689 der Kommission vom 17. Dezember 2019 zur Ergänzung der Verordnung (EU) 2016/429 des Europäischen Parlaments und des Rates hinsichtlich Vorschriften betreffend Überwachung, Tilgungsprogramme und den Status „seuchenfrei“ für bestimmte gelistete und neu auftretende Seuchen (ABl. EG Nr. L 174 vom 3.6.2020, S. 211
  • Verordnung zum Schutz der Rinder vor einer Infektion mit dem Bovinen Virusdiarrhoe-Virus (BVDV-Verordnung) in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.06.2016 (BGBl. I S. 1483)
  • Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. März 1991 (BGBl. I S. 686)    

in der jeweils gültigen Fassung.

Veröffentlicht am 08.12.2021: Die Allgemeinverfügung zum Herunterladen